Mir muss niemand mehr was erzählen vom Leben, ich war nämlich in Sibioara. Nein, ich muss meine Geschichte anders beginnen: Ursprünglich habe ich friedlich als Straßenhund in der Nähe von Corbu gelebt. Das war nicht gerade das, was man ein Luxusleben nennen würde, aber ich kam zurecht, habe keiner Menschenseele etwas getan und war immer froh, wenn wieder einmal ein Tag war, an dem ich nicht hungrig schlafen gehen musste. Ich war ungefähr 9 Jahre alt, und so war mein Leben bis zu dem Tag, als die Hundefänger bei uns auftauchten. Leider habe ich es nicht rechtzeitig geschafft abzuhauen. Sie haben mich brutal mit der Schlinge eingefangen und in ihr Auto gezerrt. Und leider ging die Fahrt dann auch nicht zu einem netten umliegenden Tierheim, sondern direkt nach Sibioara.
Das Tierheim in Sibioara ist ein Tötungs-Shelter. Das bedeutet, dass die Hunde, die von den Hundefängern eingefangen und dorthin gebracht werden, höchstens noch 14 Tage zu leben haben. 14 Tage schreibt nämlich das Gesetz vor, müssen sie uns am Leben lassen, damit wir, falls wir einen Besitzer haben, wieder abgeholt werden können. Nach 14 Tagen haben wir dann unser Leben ohne Wenn und Aber als unnütze Fresser verwirkt. Mir war natürlich klar, dass für mich niemand kommen würde, um mich abzuholen, genau so wenig wie für alle anderen, die mit mir in Sibioara eingepfercht waren. Das war der Punkt, an dem mir klar war, dass mein Leben hier endet.
Bis dahin wusste ich nicht, dass es so etwas wie den Freundeskreis gibt. Alarmiert durch die liebe Tierschützerin Madalina Danbu, hatte der Freundeskreis zwei Wochen vorher 13 Hunde, alle damaligen Insassen, aus Sibioara herausgeholt und in Sicherheit gebracht. Und niemals hätte ich gedacht, dass der Freundeskreis dank lieber Spender eine solche Aktion noch einmal machen würde und ich zu den Glückspilzen gehören würde, die Sibioara lebend verlassen.
Zu meiner großen Überraschung fuhr Ende Mai ein Reisebus vor den Toren von Sibioara vor. Betreten durften die Fahrer die Tötungsstation nicht (die Betreiber von Sibioara wissen schon warum), aber sie haben uns, die wir noch am Leben waren, einen nach dem anderen raus gebracht und zugelassen, dass wir in den Bus einsteigen. Wir waren insgesamt 13 erwachsene Hunde und 4 Welpen. Ursprünglich waren es mehr Welpen gewesen, aber sie haben es nicht alle geschafft am Leben zu bleiben. Als wir alle eingestiegen waren, haben wir „Bauklötze gestaunt“ über den Luxus in diesem Bus. Alles picobello sauber, jeder Hund hatte seine eigene Box mit Wasser und Futter und es gab eine Klimaanlage. Als ich das gesehen habe, war ich ganz aufgeregt, weil mir klar war, dass da scheinbar doch noch etwas kommen sollte in meinem Leben.
Nach mehreren Stunden Fahrt kamen wir in Cristian, im Tierheim von Dr. Claudiu an. Und auch hier war alles blitzblank sauber, es gab jeden Tag wunderbares Futter, wir wurden medizinisch versorgt und die Zwinger waren nicht vollgestopft mit Hunden, so dass wir Neuankömmlinge alle ausreichend Platz zur Verfügung hatten. Ich hätte mir durchaus vorstellen können, den Rest meines Lebens dort zu verbringen. Wenn nicht der Freundeskreis andere Pläne mit mir gehabt hätte …
Ich war schon immer sehr menschenbezogen und bin auch im Tierheim bei Dr. Claudiu hinter jedem Menschen hergelaufen, der unseren Zwinger betreten hat, in der Hoffnung, dass ich ein wenig Aufmerksamkeit und ein paar Streicheleinheiten bekomme. Damit habe ich wohl den Freundeskreis überzeugt, dass es an besten für mich wäre, wenn sie ein richtiges Zuhause für mich finden würden.
Asterix in seinem zweiten Leben
Ende September, nachdem ich alle notwendigen Impfungen hatte und kastriert war, durfte ich wieder in diesen tollen Reisebus einsteigen. Diesmal war die Fahrt sehr, sehr lang, bis ich schließlich in Deutschland ankam und von meinem Herrchen direkt am Reisebus abgeholt wurde.
Ursprünglich wollte er mich ja nicht. Seine letzten beiden Hunde waren Schwarz-Braun gewesen, und eigentlich hatte er sich vorgenommen, diesmal einen ganz, ganz anderen Hund auszusuchen. Dann hat er aber mich gesehen, hat sich immer wieder meine Fotos und mein Video angeschaut und hat nach einer schlaflosen Nacht genau gewusst, dass ich doch der richtige Hund für ihn bin. Ich finde, dass ich mich sehr schnell in meinem neuen Zuhause eingelebt habe. In den ersten Tagen hatte ich nur Probleme damit, zu verstehen, was „stubenrein“ bedeutet. Zugegeben, mir ist manches Malheur im Haus passiert, aber oft habe ich mich auch gemeldet, wenn ich raus musste. Aber dann musste es halt auch flott gehen, dann blieb nicht viel Zeit. Also mein Herrchen schnell Hausschuhe an und nix wie raus. Das war aber einmal nachts um 3 Uhr im nassen Gras und am Abhang keine besonders gute Idee und führte dazu, dass er einen fürchterlichen Abschlag gemacht hat. Glücklicherweise hat er sich nicht ernsthaft verletzt. Und anstatt „stinksauer“ auf mich zu sein, hat er sich halbhohe gefütterte Gummistiefel gekauft, in die er auch barfuß schlüpfen konnte, damit es schnell geht und er nicht mehr stürzt. Heute ist das Vergangenheit für uns, ich schlafe jede Nacht 8 bis 9 Stunden und habe dann immer noch Zeit, bis mein Herrchen sich richtig angezogen hat,
Und zu meiner großen Schande muss ich gestehen, dass ich auch einmal an seine Gitarre gepieselt habe. Also Leute echt, woher sollte ich, der Straßenhund aus Corbu, wissen, was eine Gitarre ist?! Für mich war das ein Stück Holz, das da herumstand. Und was macht ein Rüde, wenn irgendwo ein Holzstamm herumsteht? Genau, er hebt das Bein. Heute weiß ich es natürlich besser. Zu meinem Einzug in mein neues Zuhause habe ich von meinem Herrchen einen neuen Namen bekommen, der mir sehr gut gefällt: Ich heiße jetzt Rocky.
Wenn das Futter im Tierheim in Cristian schon gut war, dann ist es als Familienhund eine absolute Sensation. Ich mag alles, naja, vielleicht nicht unbedingt Obst und Gemüse, aber sonst einfach alles. Nassfutter , Lyoner, Wienerle, die Welt ist voll mit tollem Futter. Trockenfutter geht auch. Und am besten sind diese Hundewürste mit Huhn, Rind oder Wild drin. Da könnte ich eine ganze 800 Gramm Wurst in 5 Sekunden vertilgen. Und ich schaue mein Herrchen dann immer noch so an, als ob ich mindestens schon 3 Jahre nichts mehr zu futtern bekommen hätte. Diesen Gesichtsausdruck habe ich lange geübt, und was soll ich euch sagen, manchmal klappt es auch …
In alter Gewohnheit untersuche ich auch gerne die Mülltüten und gelben Säcke, ob sich dort noch etwas Essbares findet. Das fand mein Herrchen nicht so toll und hat die Müllsäcke deshalb hinter einer Schiebetür in Sicherheit gebracht. Da hat er aber nicht mit dem schlauen und geschickten Rocky gerechnet. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich den Dreh raus, wie ich die Schiebetür öffnen kann. Momentan überlegt er, wie er die Schiebetür „Rocky-sicher“ machen kann. Außer Essen liebe ich unsere langen Spaziergänge. Ich darf mittlerweile schon ohne Leine gehen, weil ich mein Herrchen nie aus den Augen lasse. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie toll es ist, über Wiesen und durch Wälder zu laufen, zwischendurch einmal eine verrückte Runde zu rennen und dann gemütlich weiter zu laufen. Wenn ich dann rechtschaffen müde bin, teste ich, ob Herrchens frisch bezogenes Bett auch weich genug ist. Dort strecke ich dann alle Viere von mir und fordere meine Schmuserunde ein … 15 Minuten Minimum.